Wird David Fincher je wieder in Hollywood arbeiten?" Das war eine viel gestellte Frage 1992, nachdem der Newcomer gleich seine erste Auftragsarbeit "Alien 3" gegen die Wand gefahren hatte. In der Branche glaubte man nicht wirklich an eine Zukunft des als schwierig geltenden, erfolgsverwöhnten Video- und Werbeclipregisseurs.

Er hatte sich auch buchstäblich einer Monster-Herausforderung gestellt: Nach den ersten beiden "Alien"-Filmen von Ridley Scott und James Cameron lag die Latte für eine Fortsetzung enorm hoch. Die Produktion stand unter keinem günstigen Stern: Das Drehbuch wurde nicht rechtzeitig fertig, die Dreharbeiten gerieten zur Tortur, die Produzenten waren unzufrieden. Zudem verpasste Fincher Heldin Ripley - und damit auch seinem Star Sigourney Weaver - eine optisch wenig ansprechende Glatze. "Alien 3" sollte zwar später weltweit ein Dreifaches seines Budgets einspielen, dennoch galt der Film als Flop. Keine gute Visitenkarte für einen Regieneuling in Hollywood.

Seine Erfahrungen mit dem Film fasste Fincher in dem Bonmot zusammen, er habe eine Teetasse gefertigt, aber das Studio wollte einen Bierkrug. 2002 legte Steven Soderbergh diesen Satz einer Hauptfigur im Hollywood-Insiderfilm "Voll Frontal" in den Mund - Fincher spielte auch mit - als "The Director".
Drei Jahre nach "Alien 3" zeigte es David Fincher allen Kritikern, Nörglern und Neidern. Mit "Sieben" gelang ihm für das Genre des Serienkillerthrillers das, was Ridley Scott mit "Alien" für alle späteren Monster-im-All-Filme geleistet hatte: Er setzte eine Norm. In "Sieben" regnet es ständig, der Killer lässt sich von Dantes Inferno und den sieben Todsünden inspirieren, und: Es gibt kein Happy End.

Das sollte fortan so etwas wie ein Marken­zeichen werden für David Fincher. "Sieben" blieb lange Zeit sein weltweit erfolgreichster Film. Beim Dreh freundete er sich mit Brad Pitt an, mit dem er weitere Filme drehen sollte. Nach dem eher verspielt-augenzwinkernden Täuschungsfilm "The Game" (1997) tauchte Fincher mit "Fight Club" endgültig in die dunklen Abgründe der Seele ab.

Nachbar von George Lucas

Im Oktober 1997 amüsierte sich Fincher im Interview mit TV SPIELFILM königlich darüber, dass sein Name in einer beliebten Onlinefilmdatenbank als Second-Unit-Regisseur für George Lucas' "Star Wars"-Wiederbelebungsversuch "Episode I - Die dunkle Bedrohung" auftauchte. Das sei natürlich Kokolores - warum sollte Fincher zweite Geige für Lucas spielen?

Allerdings war der in Denver, Colorado geborene Fincher in unmittelbarer Nachbarschaft von Lucas im kalifornischen Marin County aufgewachsen, und der hatte ihm auch den ersten richtigen Job im Business gegeben. Fincher war amüsiert: "Na, wenigstens habe ich im Internet noch Arbeit."
Abgelehnte Blockbuster

Vielleicht sind sogar die Filme, die Fincher ablehnte, aussagekräftiger als die, die er wirklich drehte: "Spider-Man", "Batman Begins", "Mission Impossible III", "Catch Me If You Can" - kaum ein Blockbuster des letzten Jahrzehnts, mit dem Fincher nicht in Verbindung gebracht wurde. Unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet dieser Mann nicht, der einmal sagte, es sei Unsinn, dass es hundert Möglichkeiten gebe, eine Szene zu drehen: "Meist sind es allenfalls zwei, und die zweite ist falsch." Die erste ist natürlich seine.

"Zodiac", basierend auf einem wahren Fall, ist Finchers persönlichste Beschäftigung mit dem Thema "Serien­killer". Als Kind erlebte er damals die Angst in Kalifornien hautnah mit, als Polizisten seinen Gang zum Schulbus überwachten. "Zodiac" markiert auch Finchers Emanzipation vom Düster-Image seiner Anfänge: Akribisch genau skizziert er die Jagd nach dem Killer und die Folgen für die Jäger. Sein Film ist mehr Gesellschaftsbild als bluttriefender Thriller. Es wundert daher nicht, dass "Zodiac" trotz seiner Klasse kaum Umsatz an der Kinokasse machte.

Sein Dreistundenepos "Der seltsame Fall des Benjamin Button" bewies konsequent die Wandlungsfähigkeit des Regisseurs - kein Killer, keine Düsternis, nur eine starke Geschichte (und gute Effekte). Dafür bekam er seine bislang einzige Oscar­-Nominierung. "Button" ist Finchers weltweit erfolgreichster Film, er ist längst auf dem richtigen Weg. In "The Social Network", seinem nächsten Film, erzählt er von den Ursprüngen des Web 2.0 und einem anderen erfolgreichen Einzelgänger: Mark Zuckerberg, Erfinder von Facebook. Die Frage ist längst nicht mehr, ob David Fincher wieder in Hollywood arbeiten wird. Die Frage ist, ob er es will. 

Volker Bleeck

Finchers Anfänge: Von "Star Wars" zu Madonna

Damals noch alles Handarbeit: Ein Matte-Painting-Künstler ergänzt akribisch Details für George Lucas' drittes "Star Wars"-Filmabenteuer "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983)

Anfang der Achtzigerjahre landet David Fincher bei George Lucas' Spezialeffektefirma "Industrial Light & Magic" (ILM). Beim dritten "Star Wars"-Film "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983) ist er "assistant cameraman" der Modell-Unit - als Nr. 11 von 12 im Abspann. Auch beim zweiten Indiana-Jones-Abenteuer "Indiana Jones und der Tempel des Todes" (1984) wirkt er mit (als "matte photography assistant), ebenso bei Wolfgang Petersens Fantasymächen "Die unendliche Geschichte" im selben Jahr. Dann verlässt Fincher ILM, um Musikvideos und Werbefilme zu drehen.

1987 ist er Mitgründer der legendären Video- und Filmproduktionsfirma Propaganda (produziert später u.a. David Lynchs "Wild at Heart" und "Being John Malkovich"), dreht jede Menge Werbespots für Nike, Levi's und Heineken, Videos für Madonna, Sting und Aerosmith.