Der Tod bittet zum Tanz
Annette Frier und Christoph Maria Herbst über Leben und Sterben und ihren ersten gemeinsamen TV-Film, die Tragikomödie "Und weg bist Du" (DI, 4.9.)
Es ist der erste gemeinsame Film zweier Schauspieler, die längst Aushängeschilder ihrer Sender Sat.1 und Pro Sieben sind. Und es ist ein besonderer. Annette Frier (38) spielt im TV-Film "Und weg bist Du" die krebskranke Jela, die unbedingt noch den achten Geburtstag ihrer Tochter erleben will. Christoph Maria Herbst (46) verkörpert mit langer schwarzer Rockermatte den Tod, der sich von Jelas Haltung und Witz so angezogen fühlt, dass er darüber zeitweise seinen Job vergisst. Man weiß bei dieser Tragikomödie oft nicht, ob man lachen oder weinen soll. Den Hauptdarstellern ging es nicht anders.
Herr Herbst, Sie haben kürzlich in ihrer Rolle als Stromberg den neuen Slogan vorgeschlagen "Sat.1 ist Stulle". Muss man jetzt, wo es in "Und weg bist du" um Sein oder Nichtsein geht, sagen: "Sat.1 ist auch Shakespeare"?
Herbst: Unbedingt! Das ist schon ein Film von Shakespear'schen Dimensionen...
Frier: In jeder guten Stulle steckt ein saftiges Stück Shakespeare, das ist doch klar.
Herbst: Im Ernst: Mit diesem Film wagen wir uns in Tiefen und Untiefen des menschlichen Daseins, die weit über das hinausgehen, was man von einem TV-Film gewöhnlich erwartet. Es ist eine Tragikomödie, und da sind wir wieder bei Shakespeare. Oder bei Tschechow, der all seine Stücke Komödien genannt hat, und wenn man diese Stücke klug inszeniert, dann kann man auch laut darüber lachen. Mir ging es bei unserem Film ebenso. Ich habe viel gelacht über den Film - und auch viel geweint.
Frier: Auch, als Du den Film gesehen hast?
Herbst: Ja, ich saß im Zug von Köln nach Hamburg, und als ich die DVD sah, stieg mir das Wasser in die Augen, und ich musste zwei, drei Mal auf die Pausentaste drücken.
Frier: Und dann hat er sich auf dem Klo eingeschlossen und geschluchzt, das haben mir Freunde erzählt.
Herbst: Das stimmt. Ich stehe dazu, und ich glaube, es wird anderen auch so gehen. Denn der Scheißkrebs, um den es geht, der spielt in jeder Familie, in jedem Freundes- und jedem Bekanntenkreis eine Rolle.
Der Film basiert auf einer wahren Geschichte...
Frier: Ja, die Drehbuchautorin Monika Peetz hat einen realen Fall aus ihrem Bekanntenkreis aufgegriffen.
Frau Frier, man kennt Sie als vitale lebenslustige Anwältin Danni Lowinski, die nichts aus der Bahn werfen kann. In diesem Film sehen Sie ganz schön fertig aus...
Frier: Das war natürlich ziemlich schwierig. Wie sagt man so schön: Aus einem Pariser Pferd machst du keinen Esel (lacht).
Herbst: Eigentlich sollten diese Szenen auch von Christine Neubauer gespielt werden...
Frier: Die Maskenbildnerin hat eine tolle Arbeit gemacht, ihr verdanke ich die Glatze und die bleiche Haut. Aber ansonsten kann ich jedem nur empfehlen, sich mal hinzusetzen und sich vorzustellen, wie eine Krankheit einem alle Kraft raubt, sodass selbst kurze Weg im Haus anstrengend sind wie ein kilometerweiter Fußmarsch. Dann sieht man nämlich selbst ganz schnell ganz schön fertig aus.
Darf man über den Tod lachen?
Herbst: Über meinen ja.
Frier: Das sage ich auch immer, über den von Herbst: ja. Nein, im Ernst: Ich glaube, Humor ist die einzige Möglichkeit, mit dem Tod umzugehen. Sonst wäre man ja vor lauter Angst wie paralysiert. Da hilft nur ein guter Witz.
Herbst: Es gibt ja gute Beispiele aus der Literatur dafür, der "Brandner Kaspar" fällt mir jetzt spontan ein. Du musst die Leute erst zum Lachen bringen, dann öffnest du ihre Herzen und sie bleiben an einer Geschichte dran, die traurig ist und komisch zugleich.
Das reale Sterben findet immer mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, in Kliniken und Altenheimen, aber in Film und Fernsehen haben wir in Serien wie "Six Feet Under" oder in Filmen wie "Wer früher stirbt, ist länger tot" eine komödiantische Form für den Umgang mit dem Tod gefunden...
Frier: Ich sehe das etwas anders. Viele Menschen akzeptieren den Tod als Teil des Lebens und scheuen sich nicht, ihre Angehörigen beim Sterben zu begleiten. Das ist ja auch die Message unseres Films, und ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen: Obwohl es schrecklich und schmerzhaft ist, wenn ein geliebter Mensch von uns geht, kann man dem Tod nur dann einen Teil seines Schreckens nehmen, wenn man sich mit ihm beschäftigt und ihn nicht verdrängt. Sonst wird die Angst, die wir natürlich haben, nur noch größer.
Herbst: Ich glaube auch, dass sich da langsam etwas ändert. In dem Film "Ruhm" nach Daniel Kehlmanns Roman gibt es ja auch die von Senta Berger gespielte Figur, die weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat, und die aus freien Stücken in die Schweiz in ein Sterbehospiz geht, um dort den Schierlingsbecher zu trinken. Und ich finde es, um auf unseren Film zurückzukommen, großartig, dass man im deutschen Fernsehen etwas sieht, wo du dir als Zuschauer im linken Augen die Lachträne wegwischt, weil es so komisch ist, und sich im rechten Auge schon die Tränen bilden, weil es so traurig ist.
Regisseur Jochen Alexander Freydank verwebt mit leichter Hand kulturgeschichtliche Motive wie den Totentanz oder den Totenfluss Styx in die Story...
Frier: Das schafft eine poetische Ebene, die mir schon beim Lesen des Drehbuchs sehr gefallen hat. Da gibt es das Märchenhafte und Leichte, aber auch das Brachiale und Brutale des nahenden Todes.
Herr Herbst, Sie sind in einem katholischen Milieu aufgewachsen und wollten Oberministrant werden...
Frier: So benimmt er sich noch heute...
Herbst: Na klar, ich habe immer ein Weihrauchfass in der Manteltasche, man weiß ja nie...
Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Herbst: Ja, auch wenn ich das nicht mehr so lebe, wie es sich die katholische Kirche wünschen würde. Ich halte mich nach wie vor für jemanden, der davon ausgeht, dass das irdische Jammertal nicht alles sein kann. Mit Tod und Sterben habe ich mich schon in jungen Jahren beschäftigt. Ich habe schon als 13-Jähriger die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross und Dr. Raymond Moody, dem amerikanischen Sterbeforscher, über Thanatologie und Sterbeforschung gelesen.
Frier: Da braucht man sich über nichts mehr zu wundern.
Frau Frier, wie ist Ihr Verhältnis zum Tod?
Frier: Ich habe Leute gesehen, die im Moment des Sterbens loslassen konnten, und ich habe von Leuten gehört, die nicht loslassen konnten. Und Letzteres ist etwas ganz Schreckliches. Ich glaube, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man sich mit Händen und Füßen gegen das Sterben sträubt. Dann kriegt der Tod...
Herbst: ...schlechte Laune. Und schlechten Atem.
Aber muss man nicht gegen den Tod ankämpfen?
Frier: Ja, aber man muss auch wissen, wann die Schlacht verloren ist. Es gibt da eine Szene in dem Film "Biutiful" mit Javier Bardem, in dem er stirbt und seine zwei Kinder zurücklässt. Vor seinem Tod hat er ein Gespräch mit einer mütterlichen Freundin, und als er ihr sagt, er dürfe wegen seiner Kinder nicht sterben, antwortet sie: Du hast keine Verantwortung für Deine Kinder, die hat das Universum. Das hat mich kolossal beruhigt, weil es ja stimmt: Man hat nicht alles in der Hand, es gibt Dinge, die kann man nicht ändern. Und es gibt Situationen, da musst Du abgeben und kannst nicht mehr alles kontrollieren. Und das hat auch viel mit Glauben zu tun.
Herbst: Die meisten Leute sagen, sie hätten keine Angst vorm Tod, sondern nur vorm Sterben. Ich finde das eigentlich nicht nachvollziehbar. Wir alle wissen doch, dass die moderne Medizin das Sterben menschenwürdiger machen kann. Aber von dem Tod wissen wir so gut wie gar nichts, jedenfalls nichts darüber, was mit uns passiert: Kommen wir alle in ein großes Nirwana, stirbt mit dem Körper auch die Seele oder marschieren wir ins Fegefeuer, wie die Katholiken immer noch glauben?
Frier: Aber zu sagen, man fürchte sich nicht vor dem Tod, sondern nur vorm Sterben, hat auch etwas Tröstliches. Man gibt etwas preis, ohne an das große Geheimnis zu rühren.
Herbst: Ich glaube, die meisten haben Angst, dass sie nach dem Tod alle ihre Verwandten wiedersehen.
So langsam, wie der Tod in dem Film arbeitet, haben wir Sterblichen ja noch genug Zeit, um uns vorzubereiten...
Herbst: Der Tod ist eine Flitzpiepe, der ist unfassbar unprofessionell.
Frier: Der hat einen Burn-out!
Der Tod hat mich an Schweinsteiger bei der EM erinnert, da hat man als Zuschauer ja auch eine Ewigkeit auf den tödlichen Pass gewartet. Warum zögert der Tod so lange?
Herbst: Der Tod ist zutiefst einsam, der hat ja auch keine Freunde, nur diesen einen Fensterputzer, der ja auch auf der Abschussliste steht. Und da findet er jemanden, der ihm Paroli bietet, das macht die Jela für ihn interessant, deshalb will er sie nicht gleich ins Jenseits befördern.
Frier: Das ist wie mit Schweini, der Tod ist einfach nicht in Form.
Herr Herbst, Sie sehen im Film aus wie eine Mischung aus Rockstar und Dandy. War das schon im Drehbuch so festgeschrieben?
Herbst: Nein, das war eine gemeinsame Idee von Regie, Maske, Kostüm und mir. Wir sind schnell auf einen gemeinsamen Nenner gekommen, denn die Klischees wie Skelett und Sense wollten wir meiden. Und wir wollten auch einen großen Unterschied zu Stromberg herstellen Mir kam es vor allem darauf an, einen Hauch von Kühle zu betonen, die mit dem Tod einhergeht, und da kam ich auf die Idee mit den blauen Kontaktlinsen.
Jela fühlt sich auf eine unterschwellige Art von dem Tod angezogen. Weckt der Tod erotisches Begehren?
Frier: Diese Frage hat mich auch beschäftigt, als ich das Drehbuch gelesen habe. Ich dachte mir, wir können da doch keine erotische Spannung aufbauen. Aber beim Dreh war es dann ganz einfach und natürlich.
Mich hat die Konstellation an Wim Wenders' "Himmel über Berlin" erinnert...
Herbst: Oje, haben wir alles falsch gemacht?
Bruno Ganz als einsamer Unsterblicher, der sich vom Leben der Menschen angezogen fühlt...
Herbst: Der Tod fühlt sich auch von Jela angezogen, aber er kann nicht die Seiten wechseln und seinen Job quittieren.
Die Tochter wird von Emma Schweiger gespielt. Ist sie genauso talentiert wie ihr Vater Til?
Frier: Emma strahlt eine große Natürlichkeit aus, und wenn sie spielt, wirkt es an keiner Stelle aufgesagt.
Herbst: Das ist überhaupt ein hervorragend besetzter Film, mit Friederike Kempter ,Johann von Bülow...
Frier: ...und Ruth Maria Kubitschek, die froh war, endlich mal keine "feine Alte" zu spielen.
Ihr seid ja beide durch Serienfiguren bekannt geworden. Werdet ihr auf der Straße als Danni Lowinski und Stromberg angesprochen?
Herbst: Natürlich wird man mit den Rollen identifiziert, aber das wussten wir beide auch schon, bevor wir ins serielle Gewerbe einstiegen.
Frier: Ich stehe auch einhundertprozentig hinter meiner Rolle als "Danni Lowinski", aber die hat gar nichts mit dem Charakter zu tun, den ich jetzt spiele.
Wie geht es mit dem Kinofilm "Stromberg" weiter?
Herbst: Eigentlich sollten die Dreharbeiten im Oktober beginnen. Die ganzen Schauspieler hatten sich auch darauf eingestellt und sich den Monat frei gehalten, aber die Produktionsfirma hat das Ganze verschoben.
Aber bei Danni Lowinski ist alles im Plan?
Frier: Ja, wir starten im 20. August mit dem Dreh der neuen Staffel.
Im November sind Sie auch im Kino zu sehen mit "Omamamia" an der Seite von Marianne Sägebrecht. War das eine Entspannung im Vergleich zum anstrengenden Serien-Dreh?
Frier: Das war eigentlich viel härter. Wir haben ja am Vatikan gedreht, und da hat man dann nur 20 Minuten Drehzeit, in der alles sitzen muss. Es gibt keine Chance, das noch einmal zu filmen.
Herr Herbst, Sie spielen in einem Kinofilm mit dem eigenwilligen Titel "King Ping Himmel, Tal und Treppentod" mit. Sind Sie der Treppentod?
Herbst: Ich habe einen Cameo-Auftritt. Da musste ich einfach dabei sein, weil es das Kinodebüt eines alten Wuppertaler Freundes ist, er komplett mit Wuppertalern besetzt ist und ich in Wuppertal geboren bin.
Frier: Herbst ist als Pina Bausch in der Schwebebahn zu sehen...
Und Sie, Frau Frier, sind demnächst im ZDF zu bewundern..
Frier: Ja, in einer Komödie, die "Schleuderprogamm" heißt, spiele ich eine Operndiva.
Sie sind nicht exklusiv an einen Sender gebunden?
Frier: Nein, überhaupt nicht. Aber ich bin dankbar, dass Sat.1 Serien wie "Danni Lowinski" und Filme wie "Und weg bist Du" dreht.
Herbst: Bei mir ist es genauso. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Sender den Mut hätten, Filme wie "Und weg bist Du" zu produzieren.
Rainer Unruh
Und weg bist Du
DI 4.9. SAT.1 20.15 Uhr
Herbst: Unbedingt! Das ist schon ein Film von Shakespear'schen Dimensionen...
Frier: In jeder guten Stulle steckt ein saftiges Stück Shakespeare, das ist doch klar.
Herbst: Im Ernst: Mit diesem Film wagen wir uns in Tiefen und Untiefen des menschlichen Daseins, die weit über das hinausgehen, was man von einem TV-Film gewöhnlich erwartet. Es ist eine Tragikomödie, und da sind wir wieder bei Shakespeare. Oder bei Tschechow, der all seine Stücke Komödien genannt hat, und wenn man diese Stücke klug inszeniert, dann kann man auch laut darüber lachen. Mir ging es bei unserem Film ebenso. Ich habe viel gelacht über den Film - und auch viel geweint.
Frier: Auch, als Du den Film gesehen hast?
Herbst: Ja, ich saß im Zug von Köln nach Hamburg, und als ich die DVD sah, stieg mir das Wasser in die Augen, und ich musste zwei, drei Mal auf die Pausentaste drücken.
Frier: Und dann hat er sich auf dem Klo eingeschlossen und geschluchzt, das haben mir Freunde erzählt.
Herbst: Das stimmt. Ich stehe dazu, und ich glaube, es wird anderen auch so gehen. Denn der Scheißkrebs, um den es geht, der spielt in jeder Familie, in jedem Freundes- und jedem Bekanntenkreis eine Rolle.
Der Film basiert auf einer wahren Geschichte...
Frier: Ja, die Drehbuchautorin Monika Peetz hat einen realen Fall aus ihrem Bekanntenkreis aufgegriffen.
Frau Frier, man kennt Sie als vitale lebenslustige Anwältin Danni Lowinski, die nichts aus der Bahn werfen kann. In diesem Film sehen Sie ganz schön fertig aus...
Frier: Das war natürlich ziemlich schwierig. Wie sagt man so schön: Aus einem Pariser Pferd machst du keinen Esel (lacht).
Herbst: Eigentlich sollten diese Szenen auch von Christine Neubauer gespielt werden...
Frier: Die Maskenbildnerin hat eine tolle Arbeit gemacht, ihr verdanke ich die Glatze und die bleiche Haut. Aber ansonsten kann ich jedem nur empfehlen, sich mal hinzusetzen und sich vorzustellen, wie eine Krankheit einem alle Kraft raubt, sodass selbst kurze Weg im Haus anstrengend sind wie ein kilometerweiter Fußmarsch. Dann sieht man nämlich selbst ganz schnell ganz schön fertig aus.
Darf man über den Tod lachen?
Herbst: Über meinen ja.
Frier: Das sage ich auch immer, über den von Herbst: ja. Nein, im Ernst: Ich glaube, Humor ist die einzige Möglichkeit, mit dem Tod umzugehen. Sonst wäre man ja vor lauter Angst wie paralysiert. Da hilft nur ein guter Witz.
Herbst: Es gibt ja gute Beispiele aus der Literatur dafür, der "Brandner Kaspar" fällt mir jetzt spontan ein. Du musst die Leute erst zum Lachen bringen, dann öffnest du ihre Herzen und sie bleiben an einer Geschichte dran, die traurig ist und komisch zugleich.
Das reale Sterben findet immer mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, in Kliniken und Altenheimen, aber in Film und Fernsehen haben wir in Serien wie "Six Feet Under" oder in Filmen wie "Wer früher stirbt, ist länger tot" eine komödiantische Form für den Umgang mit dem Tod gefunden...
Frier: Ich sehe das etwas anders. Viele Menschen akzeptieren den Tod als Teil des Lebens und scheuen sich nicht, ihre Angehörigen beim Sterben zu begleiten. Das ist ja auch die Message unseres Films, und ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen: Obwohl es schrecklich und schmerzhaft ist, wenn ein geliebter Mensch von uns geht, kann man dem Tod nur dann einen Teil seines Schreckens nehmen, wenn man sich mit ihm beschäftigt und ihn nicht verdrängt. Sonst wird die Angst, die wir natürlich haben, nur noch größer.
Herbst: Ich glaube auch, dass sich da langsam etwas ändert. In dem Film "Ruhm" nach Daniel Kehlmanns Roman gibt es ja auch die von Senta Berger gespielte Figur, die weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat, und die aus freien Stücken in die Schweiz in ein Sterbehospiz geht, um dort den Schierlingsbecher zu trinken. Und ich finde es, um auf unseren Film zurückzukommen, großartig, dass man im deutschen Fernsehen etwas sieht, wo du dir als Zuschauer im linken Augen die Lachträne wegwischt, weil es so komisch ist, und sich im rechten Auge schon die Tränen bilden, weil es so traurig ist.
Regisseur Jochen Alexander Freydank verwebt mit leichter Hand kulturgeschichtliche Motive wie den Totentanz oder den Totenfluss Styx in die Story...
Frier: Das schafft eine poetische Ebene, die mir schon beim Lesen des Drehbuchs sehr gefallen hat. Da gibt es das Märchenhafte und Leichte, aber auch das Brachiale und Brutale des nahenden Todes.
Herr Herbst, Sie sind in einem katholischen Milieu aufgewachsen und wollten Oberministrant werden...
Frier: So benimmt er sich noch heute...
Herbst: Na klar, ich habe immer ein Weihrauchfass in der Manteltasche, man weiß ja nie...
Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Herbst: Ja, auch wenn ich das nicht mehr so lebe, wie es sich die katholische Kirche wünschen würde. Ich halte mich nach wie vor für jemanden, der davon ausgeht, dass das irdische Jammertal nicht alles sein kann. Mit Tod und Sterben habe ich mich schon in jungen Jahren beschäftigt. Ich habe schon als 13-Jähriger die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross und Dr. Raymond Moody, dem amerikanischen Sterbeforscher, über Thanatologie und Sterbeforschung gelesen.
Frier: Da braucht man sich über nichts mehr zu wundern.
Frau Frier, wie ist Ihr Verhältnis zum Tod?
Frier: Ich habe Leute gesehen, die im Moment des Sterbens loslassen konnten, und ich habe von Leuten gehört, die nicht loslassen konnten. Und Letzteres ist etwas ganz Schreckliches. Ich glaube, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man sich mit Händen und Füßen gegen das Sterben sträubt. Dann kriegt der Tod...
Herbst: ...schlechte Laune. Und schlechten Atem.
Aber muss man nicht gegen den Tod ankämpfen?
Frier: Ja, aber man muss auch wissen, wann die Schlacht verloren ist. Es gibt da eine Szene in dem Film "Biutiful" mit Javier Bardem, in dem er stirbt und seine zwei Kinder zurücklässt. Vor seinem Tod hat er ein Gespräch mit einer mütterlichen Freundin, und als er ihr sagt, er dürfe wegen seiner Kinder nicht sterben, antwortet sie: Du hast keine Verantwortung für Deine Kinder, die hat das Universum. Das hat mich kolossal beruhigt, weil es ja stimmt: Man hat nicht alles in der Hand, es gibt Dinge, die kann man nicht ändern. Und es gibt Situationen, da musst Du abgeben und kannst nicht mehr alles kontrollieren. Und das hat auch viel mit Glauben zu tun.
Herbst: Die meisten Leute sagen, sie hätten keine Angst vorm Tod, sondern nur vorm Sterben. Ich finde das eigentlich nicht nachvollziehbar. Wir alle wissen doch, dass die moderne Medizin das Sterben menschenwürdiger machen kann. Aber von dem Tod wissen wir so gut wie gar nichts, jedenfalls nichts darüber, was mit uns passiert: Kommen wir alle in ein großes Nirwana, stirbt mit dem Körper auch die Seele oder marschieren wir ins Fegefeuer, wie die Katholiken immer noch glauben?
Frier: Aber zu sagen, man fürchte sich nicht vor dem Tod, sondern nur vorm Sterben, hat auch etwas Tröstliches. Man gibt etwas preis, ohne an das große Geheimnis zu rühren.
Herbst: Ich glaube, die meisten haben Angst, dass sie nach dem Tod alle ihre Verwandten wiedersehen.
So langsam, wie der Tod in dem Film arbeitet, haben wir Sterblichen ja noch genug Zeit, um uns vorzubereiten...
Herbst: Der Tod ist eine Flitzpiepe, der ist unfassbar unprofessionell.
Frier: Der hat einen Burn-out!
Der Tod hat mich an Schweinsteiger bei der EM erinnert, da hat man als Zuschauer ja auch eine Ewigkeit auf den tödlichen Pass gewartet. Warum zögert der Tod so lange?
Herbst: Der Tod ist zutiefst einsam, der hat ja auch keine Freunde, nur diesen einen Fensterputzer, der ja auch auf der Abschussliste steht. Und da findet er jemanden, der ihm Paroli bietet, das macht die Jela für ihn interessant, deshalb will er sie nicht gleich ins Jenseits befördern.
Frier: Das ist wie mit Schweini, der Tod ist einfach nicht in Form.
Herr Herbst, Sie sehen im Film aus wie eine Mischung aus Rockstar und Dandy. War das schon im Drehbuch so festgeschrieben?
Herbst: Nein, das war eine gemeinsame Idee von Regie, Maske, Kostüm und mir. Wir sind schnell auf einen gemeinsamen Nenner gekommen, denn die Klischees wie Skelett und Sense wollten wir meiden. Und wir wollten auch einen großen Unterschied zu Stromberg herstellen Mir kam es vor allem darauf an, einen Hauch von Kühle zu betonen, die mit dem Tod einhergeht, und da kam ich auf die Idee mit den blauen Kontaktlinsen.
Jela fühlt sich auf eine unterschwellige Art von dem Tod angezogen. Weckt der Tod erotisches Begehren?
Frier: Diese Frage hat mich auch beschäftigt, als ich das Drehbuch gelesen habe. Ich dachte mir, wir können da doch keine erotische Spannung aufbauen. Aber beim Dreh war es dann ganz einfach und natürlich.
Mich hat die Konstellation an Wim Wenders' "Himmel über Berlin" erinnert...
Herbst: Oje, haben wir alles falsch gemacht?
Bruno Ganz als einsamer Unsterblicher, der sich vom Leben der Menschen angezogen fühlt...
Herbst: Der Tod fühlt sich auch von Jela angezogen, aber er kann nicht die Seiten wechseln und seinen Job quittieren.
Die Tochter wird von Emma Schweiger gespielt. Ist sie genauso talentiert wie ihr Vater Til?
Frier: Emma strahlt eine große Natürlichkeit aus, und wenn sie spielt, wirkt es an keiner Stelle aufgesagt.
Herbst: Das ist überhaupt ein hervorragend besetzter Film, mit Friederike Kempter ,Johann von Bülow...
Frier: ...und Ruth Maria Kubitschek, die froh war, endlich mal keine "feine Alte" zu spielen.
Ihr seid ja beide durch Serienfiguren bekannt geworden. Werdet ihr auf der Straße als Danni Lowinski und Stromberg angesprochen?
Herbst: Natürlich wird man mit den Rollen identifiziert, aber das wussten wir beide auch schon, bevor wir ins serielle Gewerbe einstiegen.
Frier: Ich stehe auch einhundertprozentig hinter meiner Rolle als "Danni Lowinski", aber die hat gar nichts mit dem Charakter zu tun, den ich jetzt spiele.
Wie geht es mit dem Kinofilm "Stromberg" weiter?
Herbst: Eigentlich sollten die Dreharbeiten im Oktober beginnen. Die ganzen Schauspieler hatten sich auch darauf eingestellt und sich den Monat frei gehalten, aber die Produktionsfirma hat das Ganze verschoben.
Aber bei Danni Lowinski ist alles im Plan?
Frier: Ja, wir starten im 20. August mit dem Dreh der neuen Staffel.
Im November sind Sie auch im Kino zu sehen mit "Omamamia" an der Seite von Marianne Sägebrecht. War das eine Entspannung im Vergleich zum anstrengenden Serien-Dreh?
Frier: Das war eigentlich viel härter. Wir haben ja am Vatikan gedreht, und da hat man dann nur 20 Minuten Drehzeit, in der alles sitzen muss. Es gibt keine Chance, das noch einmal zu filmen.
Herr Herbst, Sie spielen in einem Kinofilm mit dem eigenwilligen Titel "King Ping Himmel, Tal und Treppentod" mit. Sind Sie der Treppentod?
Herbst: Ich habe einen Cameo-Auftritt. Da musste ich einfach dabei sein, weil es das Kinodebüt eines alten Wuppertaler Freundes ist, er komplett mit Wuppertalern besetzt ist und ich in Wuppertal geboren bin.
Frier: Herbst ist als Pina Bausch in der Schwebebahn zu sehen...
Und Sie, Frau Frier, sind demnächst im ZDF zu bewundern..
Frier: Ja, in einer Komödie, die "Schleuderprogamm" heißt, spiele ich eine Operndiva.
Sie sind nicht exklusiv an einen Sender gebunden?
Frier: Nein, überhaupt nicht. Aber ich bin dankbar, dass Sat.1 Serien wie "Danni Lowinski" und Filme wie "Und weg bist Du" dreht.
Herbst: Bei mir ist es genauso. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Sender den Mut hätten, Filme wie "Und weg bist Du" zu produzieren.
Rainer Unruh
Und weg bist Du
DI 4.9. SAT.1 20.15 Uhr