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2. Staffel der Krimiserie "Mord mit Aussicht"

Unverändert gut

Die schräge Eifelkrimiserie "Mord mit Aussicht" ist zurück, nicht ganz unverändert, aber immer noch unverändert gut (ab DI, 28.8.2012, 20.15 Uhr, ARD)

Es ist nur eine kleine Szene, aber sie zeigt, was die WDR-Serie "Mord mit Aussicht" so wohltuend von gängiger Fernsehkrimiware unterscheidet. In der Folge "Henghasch" der neuen zweiten Staffel befragt Kommissarin Sophie Haas den Gärtner, in dessen Auto man ein paar Kilo Hasch gefunden hat, wer seinen am Straßenrand abgestellten Wagen sonst noch hätte fahren können. Seine Antwort: "Keiner, der stand da seit..." Dann Stille. Der Mann starrt geradeaus. Haas und Kollegen sehen sich an, ratlos. Immer noch nichts. Und dann: "...April."
Foto: ARD/WDR, Folgt der Sandale! Caroline Peters in der zweiten Staffel der Eifelkrimiserie "Mord mit Aussicht"
Das Besondere ist, dass dieser Moment, in dem vordergründig nichts passiert, handgestoppte 22 Sekunden dauert. Eine kleine Ewigkeit im Fernsehen. Viele hätten längst geschnitten, auch hier reagierte der Regisseur zunächst etwas irritiert, aber Schauspieler Michael Wittenborn, der den Hasch anpflanzenden Gärtner spielt, war überzeugt von seiner Idee der dramatischen Pause. Genau das sind die Momente, die diese Extra-Zehn-Prozent ausmachen, die "Mord mit Aussicht" vom Rest abheben.

Dabei war die Serie, die als "Testballon" im Januar 2008 auf dem schwierigen Montagsendeplatz startete, überhaupt keine leichte Geburt - und erst auch kein Erfolg. Erst zwei Jahre später, mit der Wiederholung der ersten sechs (und sieben weiterer) Folgen, wurde der schräge Eifelkrimi zum Hit - am Dienstagabend mit über vier Millionen Zuschauern und 14 Prozent Marktanteil. Es gab viel Kritikerlob, Nominierungen für den Adolf-Grimme- und den Deutschen Fernsehpreis, später die Krimiauszeichnung Roland, die alle zwei Jahre bei einem Krimifestival in der Eifel (!) verliehen wird. Eine zweite Staffel wurde beschlossen, zwischenzeitlich ging allerdings die Produktionsfirma (Alfred Bioleks Pro) pleite, eine Umfirmierung sicherte die Fortführung.
Die Eifel liegt im Bergischen Land

Eine Kommissarin aus Köln fühlt sich in der Eifel völlig fremd, wie ein Fisch auf dem Trockenen - nach dem klassischen "Fish out of water"-Prinzip funktioniert "Mord mit Aussicht": Bringe deine Protagonistin in eine Umgebung, die ihr nicht passt, und Konflikte und Spannungspunkte sind vorprogrammiert. Auch US-Serien wie "Ausgerechnet Alaska" oder "Ein Mountie in Chicago" und Kinoerfolge wie "Willkommen bei den Sch'tis" machten sich dies zunutze. Veränderungen darf man dabei nur sehr behutsam vornehmen, das zeigen auch diese neuen Folgen.
Foto: WDR/ARD, So fing's an: Kommissarin Sophie Haas (Caroline Peters) "landet" im Eifelkaff Hengasch
Am Ende der letzten Staffel war für Sophie Haas die Kommissariatsstelle in Köln zum greifen nah, sie musste sich nur entscheiden und wäre raus aus Hengasch. Doch dann erleidet ihr Vater, gespielt von Hans Peter Hallwachs, einen Herzinfarkt. Außerdem hat er heimlich das Jagdhaus, in dem er zuletzt wohnte, gekauft. Also bleibt Sophie in der Eifel und kümmert sich um ihren Vater. Doch der entwickelt bald viel mehr Interesse an seiner neuen Pflegerin...

Der Gegensatz von Großstadt und Eifelprovinz ist es, der hier weiterhin für Reibung und Witz sorgt. Da ist es fast absurd, dass "Mord mit Aussicht" gar nicht mehr in der Eifel gedreht wird. Das Gros der Dreharbeiten findet nämlich mittlerweile rund um Köln und im Bergischen Land statt. Aus Kostengründen, denn jeder Kilometer mehr Anreise bedeutet für einen Film-tross deutlich höhere Ausgaben. Den Schauspielern gefällt das nicht. Vor allem Haas-Darstellerin Caroline Peters wünscht sich mehr Präsenz vor Ort: "Wir sind pro Block höchstens drei Tage dort, dabei liefert die echte Eifel die inspirierendsten Drehtage." Ein kompletter Eifel-Dreh wäre für sie ein "absoluter Traum".
Foto: ARD/WDR, Nervensäge: Sophies Vater (Hans Peter Hallwachs) muss sich nach seinem Herzinfarkt schonen
Was "Mord mit Aussicht" so gut macht, sind die stimmigen Charaktere - schräge Typen, die jeder so oder so ähnlich zu kennen glaubt. Zum Beispiel nennt Eifelpolizist Schäffer seine Vorgesetzte Haas von Anfang an völlig selbstverständlich "Chef". Bei einem Undercovereinsatz kommt es in einer der neuen Folgen auf dem Campingplatz zu einer pikanten Begegnung zwischen Haas und Schäffer, der seiner Kollegin Bärbel später beichtet: "Ich hab den Chef nackt gesehen!"

Theater als Background


Ganz sicher liegt es auch an den Schauspielern, dass diese Serie stimmt. Alle drei Hauptdarsteller haben Theaterbackground: Caroline Peters ist fest am Wiener Burgtheater engagiert, Meike Droste gehört zum Ensemble des Deutschen Theaters Berlin, und auch Bjarne Mädel, den meisten vor allem als Ernie aus der Pro-Sieben-Comedy "Stromberg" bekannt, stand in Hamburg auf der Bühne. Das setzt sich bis in die Nebenrollen fort, man merkt schnell, hier verstehen Leute einfach ihr Handwerk.
Auch Michael Wittenborn, der Haschgärtner vom Anfang, ist ein renommierter Theatermann aus Hamburg. Die eingangs beschriebene Idee brachte ihm außerdem eine weitere Rolle ein: in Bjarne Mädels Grimme-Preis-Comedy "Der Tatortreiniger". Nicht nur, aber auch wegen 22 Sekunden Stille.

Volker Bleeck

Mord mit Aussicht
ab DI 28.8., Das Erste, 20.15 Uhr


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