.

Gespräch

Talk: Das neue Mega-Paar

Talk: Das neue Mega-Paar
Radio Bremen

Giovanni di Lorenzo hat sich für "3 nach 9" eine prominente Partnerin gesucht - Bestseller-Autorin Charlotte Roche. TV SPIELFILM traf beide zum Gespräch

Seit Erscheinen ihres Debütromans "Feuchtgebiete" gilt sie den einen als provokante Feministin einer neuen Generation, den anderen schlicht als Riesenferkel. Charlotte Roche (31), einst Kultmoderatorin bei Viva, beschäftigt sich in dem Bestseller ausgiebig mit ungewöhnlichen Sexpraktiken und vertritt eine eigenwillige Auffassung von Körperhygiene.

Skandalnudel trifft Intellekt

Kaum eine Talkshow, in der sie deshalb nicht zu Gast war. Roche nutzte jede dieser Gelegenheiten, schlagfertig und amüsant weiter zu schockieren. Als Amelie Fried ihren Ausstieg aus "3 nach 9", der dienstältesten Talkshow im deutschen Fernsehen, erklärte, um im ZDF zur "Vorleserin" zu werden, suchte Radio Bremen nach Ersatz und kam sofort auf Roche. Ihr Partner: "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo (50), ein Mann mit messerscharfem Verstand und sanfter Stimme.
Foto: Radio Bremen
TV SPIELFILM: Was haben Sie gedacht, als das Angebot kam, Co-Moderatorin bei "3 nach 9" zu werden?

CHARLOTTE ROCHE Ich dachte: Die haben ja nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ich hätte nie geglaubt, dass ich nach meinem Buch noch eine Chance im deutschen Fernsehen habe. Und dann so ein toller, großer, seriöser Job. Das ist ja das Einzige, was ich wirklich gelernt habe - Leuten Löcher in den Bauch zu fragen. Herr di Lorenzo, wie finden Sie Ihre neue Co-Moderatorin?

GIOVANNI DI LORENZO Mein Herz hat sie mit einer Antwort erobert. Ich fand es unglaublich schlagfertig, wie sie meinem Freund Hubertus Meyer-Burckhardt in der "NDR Talk Show" begegnet ist. Auf die Frage, wie sie ihr Buch in einem Satz zusammenfassen würde, sagte sie: "Für Sie: eine Wichsvorlage."

Wie oft werden die "3 nach 9"-Zuschauer künftig solche Vokabeln von Ihnen zu hören bekommen?

ROCHE Ich will keine Skandalnudel mehr sein. Mich langweilt dieser Stil mittlerweile selbst. Ich werde in der Sendung bestimmt nicht derart explizit auf die Kacke hauen ...

DI LORENZO Sie sagt, dass ich das künftig übernehmen soll ... (lacht)

ROCHE ... außer, ein Gast zwingt mich dazu.
Foto: Radio Bremen, Charlotte Roche
Sind Sie aufgeregt vor der Premiere?

ROCHE Ja, klar! Ich bin ja kein Roboter. Ich bin ein ganz normaler Mensch mit Versagensängsten. Deswegen kann ich auch oft Sachen so gut, weil ich vorher Angst habe.

DI LORENZO Das klingt in meinen Ohren sehr vertraut, weil ich auch noch vor jeder Sendung irrsinnig nervös bin. Ich habe auch immer noch denselben Albtraum: Es ist Sendung, ich habe mich kein bisschen auf die Gäste vorbereitet und werde dann ins Studio gelassen. Dieser Albtraum kehrt alle sechs Wochen wieder.

ROCHE Das kenne ich. Wenn ich früher Musiklegenden wie die Rolling Stones interviewt habe, hatte ich immer Schiss, dass die sagen würden: Oh Gott, du bist noch so jung, du kennst doch unsere alten Platten nicht. Sag doch mal, was war denn 1974? Natürlich macht so was niemand, denn das kann schwer in die Hose gehen. Trotzdem wollte ich immer so perfekt wie möglich vorbereitet sein.

Gesetzt den Fall, Sie haben jemanden eingeladen, den einer von Ihnen sehr gut und den der andere gar nicht leiden kann. Wer wird ihn befragen?

ROCHE Ich glaube ja, dass es gut für eine Sendung ist, wenn nicht alles nur harmonisch ist. Ich habe mal ein Interview mit Kai Pflaume gemacht. Der konnte mich nicht leiden, und ich kann den nicht leiden. Aber das Interview war eins der besten, die ich je gemacht habe. Er fand alles schlimm, was ich gesagt habe, und ich fand alles schrecklich, was er gesagt hat. Es war wohl sehr unterhaltsam, uns dabei zuzugucken.

DI LORENZO Daran kann ich mich erinnern. Das war total lustig. Ich weiß nicht, warum mir dazu ausgerechnet Horst Seehofer einfällt, aber ein Gespräch zwischen Charlotte Roche und Horst Seehofer stelle ich mir auch sehr kurzweilig vor.

ROCHE Der tut mir total leid.

Das ist nicht Ihr Ernst!

ROCHE Ich finde es total entsetzlich, dass man ständig diese privaten Bilder zeigt. Ich finde, das geht uns nichts an.

DI LORENZO Kommt darauf an: Ich komme gerade aus dem Urlaub in Italien, einem Land, in dem das Private sehr politisch ist, und ich finde es richtig, dass man Paparazzi-Fotos aus Berlusconis Villa zeigt. Weil sie seine Doppelmoral demaskieren. Solche Bilder haben eine aufklärerische Wirkung. Wenn ein Politiker in seinen Reden Werte wie Ehe und Familie hochhält, aber selbst ein Doppelleben mit Geliebter und kleiner Tochter führt, riskiert er, dass man das öffentlich macht.

ROCHE Er ist ein konservativer Politiker, und er predigt was anderes, als er lebt. Das ist der Vorwurf. Aber dass so etwas von der Klatschpresse als Rechtfertigung für jede Art von medialer Schweinerei genutzt wird, gehört sich einfach nicht.

Würden Sie, wenn Sie ihn in der Sendung hätten, dieses Thema aussparen?

ROCHE Nee. Aber man kann sich solchen Themen ja auch mit Anstand nähern. Als Zuschauer hat man oft das Gefühl, dass ein Moderator, dem sein Gast sympathisch ist, schlagartig die Kunst des klugen Fragens verlernt hat.

DI LORENZO (nickt) Dazu gibt's eine Sendung, die werde ich nie vergessen. Kennst du meine Geschichte mit Senta Berger?

ROCHE Nein. Erzähl.

DI LORENZO Das Gespräch ging schon so los, dass ich ihr sagte: "Ich wollte nur dreimal in meinem Leben eine Frau heiraten, und eine davon waren Sie." Da hat sie mich angeschaut und gesagt: "Sagen Sie, wie alt sind Sie eigentlich?" Und so ging's weiter. Zum Schluss sagte ich: "Wissen Sie, Frau Berger, wenn ich noch mal auf die Welt komme, dann wünsche ich mir, dass ich wenigstens Ihr Sohn sein darf." Und darauf sagte sie: "Soll ich Ihnen jetzt zum Abschluss noch eine knallen?"

ROCHE (lacht)

DI LORENZO Am nächsten Tag sind wir zufällig zusammen nach München zurückgeflogen. Sie stand am Gepäckband, nahm ihren Koffer runter und sagte zu mir: "Sehen Sie, jetzt haben Sie ein Leben lang auf mich gewartet. Und schon bin ich wieder weg!"

ROCHE Wie fandest du das denn während des Gesprächs? Eigentlich ist es doch toll, wenn jemand aggressiv wird, verbal, im Scherz.

DI LORENZO Das kam unerwartet, deshalb war der Adrenalinspiegel plötzlich ganz oben. Aber ich glaube, sie hat gemerkt: Der schätzt mich wirklich sehr.

ROCHE Eigentlich ist das ja Extrem-Flirting, was ihr da gemacht habt ...

Herr di Lorenzo, Sie machen jetzt schon im 21. Jahr "3 nach 9". Man könnte meinen: Die Moderatorinnen kommen und gehen, nur Sie bleiben.

DI LORENZO Eins kann ich Ihnen versichern: Charlotte soll meine letzte Co-Moderatorin sein bei "3 nach 9".

Susanne Sturm
3 nach 9 - N3, Fr., 11.9.2009, 22.00 Uhr