Die besten Fernsehfilme in unserer Auswahl sind alphabetisch geordnet. Warum das alles? Und warum 20 Jahre? Hollywood ist schuld. Die in den Neunzigern rasant gestiegenen Preise für Kinofilm-Lizenzen brachten die Sender damals dazu, mehr selbst zu produzieren. Ein Boom der TV-Filme setzte ein. Rund 5000 Neunzigminüter (Reihen wie "Tatort" mitgerechnet) sind in den vergangenen 20 Jahren entstanden. Unser Job: genau ein, nämliche das beste Prozent, dieser Menge zu identifizieren. 50 herausragende Filme, die das ganze Spektrum des filmischen Erzählens abdecken, Biografien, Zeitgeschichte, Sozialdramen, Komödien.

Auf kurze Distanz (2016)
Ein Hauch von Scorsese liegt über diesem Thriller im Milieu der Wettmafia: Tom Schilling bewegt sich als verdeckter Ermittler wie ein Schlafwandler durch ein Minenfeld. Einzig im Sohn des Paten, großartig gespielt von Edin Hasanovic, findet er eine verwandte Seele. Von Regisseur Philipp Kadelbach perfekt gefilmter Neo Noir.
(DVD, Amazon, Max­dome, Google Play)

Barfuß bis zum Hals (2009)
Martin Brambach spielt den Leiter eines Nudistencamps in Brandenburg, als habe er nie etwas anderes gemacht. Die Konfrontation der FKK-Ossis mit einem Westinvestor ist extrem witzig, ohne in Klamauk abzugleiten. Eine Top-Komödie.
(DVD, Maxdome)
Bis nichts mehr bleibt (2010)
Der erste TV-Film zum Thema Scientology: Eine Familie zerbricht an der Sekte. Schonungslos zeigt Regisseur Niki Stein, wie die Sekte Menschen umdreht, wie sie aus liebevollen Müttern gnadenlose Fanatiker macht. Felix Klare und Silke Bodenbender überzeugen, den stärksten Eindruck aber hinterlässt Nina Kunzendorf.
(DVD, Maxdome, Netflix u. a.)

Bittere Unschuld (1999)
Mit der Talfahrt einer Familie beginnt Dominik Graf seine Melodram-Reihe. Es folgten im selben Jahr "Deine besten Jahre" und 2004 "Kalter Frühling". Alle gleichermaßen gut.
(DVD)

Contergan (2007)
Dem Zweiteiler gelingt es, den Medizinskandal der 60er-Jahre zu einem spannenden und anrührenden Drama zu verarbeiten, das nicht auf die Tränendrüsen drückt. Gut recherchiert, mit viel Sinn für Details. Perfekt besetzt mit Katharina Wackernagel und Benjamin Sadler.
(DVD, Maxdome, iTunes)
Dresden (2006)
Vor zehn Jahren wagte das ZDF einen "Event"-Film, den es bis dahin nicht gab: Mit einem Zehn-Millionen-Euro-Budget wurde die Bombardierung Dresdens 1945 ins Bild gesetzt. Der Film zeigt leidende Menschen, ohne deutsche Schuld zu relativieren.
(DVD)

Dutschke (2009)
Autor Daniel Nocke und Regisseur Stefan Krohmer mixen Spielszenen mit Interviews zu einem facettenreichen Bild des Studentenführers. Christoph Bach spielt Dutschke so, dass der Mensch hinter der Ikone sichtbar wird.
(DVD)

Das Ende einer Nacht (2012)
Duell zweier Spitzenschauspielerinnen: Barbara Auer als Richterin und Ina Weisse als Anwältin stehen sich vor Gericht gegenüber. Sie müssen klären, ob ein Mann (Jörg Hartmann) seine Frau vergewaltigt hat. Je länger der Prozess dauert, desto mehr lösen sich scheinbare Gewissheiten auf. Ein starkes Stück Unterhaltung.
(DVD)
Familienkreise (2003)
Ein unnahbarer Götz George, der als Auslandskorrespondent nach Bonn heimkehrt. So genau wurde selten ein Familienkonflikt protokolliert und inszeniert.

Frau Böhm sagt Nein (2009)
Solo für Senta Berger, die sich von der grauen Büromaus zur Heldin mit Zivilcourage wandelt, als sich der Vorstand ihres Unternehmens illegal bereichern will. Eindrucksvoll inszeniert, glaubwürdig, lebensnah und zugleich ein Lehrstück über den Turbokapitalismus.
(DVD, Amazon, Maxdome)

Freier Fall (1997)
Josef Bierbichler als Bauderzernent, der seine Frau überfährt. Unfall? Mord? Christian Görlitz und sein Hauptdarsteller kreieren eine Undurchschaubarkeit, die sich bis zum Schluss aufrechterhält. Sehr raffiniert und smart.

Ausnahmeschauspieler Lars Eidinger in "Grenzgang"

Fürchte dich nicht (2007)
Subtil aufgebauter Psychothriller um eine von Maria Simon gespielte Kommissarin, die sich fragt, was sie glauben soll. Ein Soldat wurde nach einem Amoklauf in einer Schule erschossen. Er war Teil eines militärischen Geheimprojekts zur Angstprävention, für das ihr Ex (Herbert Knaup) arbeitet. Geschickt schürt Regisseurin Christiane Baltasar die Zweifel des Zuschauers. Fast surreal

Grenzgang (2013)
Eine Liebesgeschichte in der hessischen Provinz, die sich im Rhythmus des titelgebenden Volksfests entwickelt. Brigitte Maria Bertele führt den Zuschauer der Verfilmung des Romans von Stephan Thome sicher durch die Zeitsprünge, Claudia Michelsen und Lars Eidinger liefern eine Glanzvorstellung.
(YouTube)

Ein großer Aufbruch (2015)
Sechs Schauspieler, ein Raum: Mehr braucht Matti Geschonneck nicht, um Lebenslügen platzen zu lassen. So wird das Abschiedsessen eines sterbenskranken Patriarchen (Matthias Habich) zur Ausweitung der familiären Kampfzone. Meisterlich. (YouTube)

Ein halbes Leben (2009)
Josef Hader, der wohl beste Kabarettist im deutschsprachigen Raum, kann auch existenziell ernst: Er spielt einen Mörder, der hin- und hergerissen ist zwischen dem Impuls, die Tat zu gestehen, und der Regung, ganz für seine Tochter da zu sein. Deutscher Fernsehpreis für Hader und den Regisseur Nikolaus Leytner.

Hannah Mangold & Lucy Palm
Das beste Frauenduo des deutschen Krimis ermittelte in nur zwei Folgen, dann zog Sat.1 den Stecker. Dabei war vor allem Britta Hammelstein als megatougher Youngster an der Seite von Anja Kling der Hammer. Wer hat den Mut und setzt die Reihe fort?
(DVD)

Homevideo (2011)
Mobbing im digitalen Zeitalter: Regisseur Kilian Riedhof hat daraus einen bedrückend intensiven Film gemacht. Jonas Nay verkörpert eindringlich den verzweifelten Schüler, von dem ein peinliches Video durch die sozialen Netzwerke wandert. (DVD, Amazon, Maxdome, Netflix u. a.)
Hotte im Paradies (2003)
Eigentlich ist Hotte ein Schwein. Ein Zuhälter, der Frauen schlägt und sie auf den Strich schickt. Doch Autor Ralf Basedow und Regisseur Dominik Graf zeigen auch die Brüche in seiner Person, die Illusionen, die er sich macht. Eine präzise Milieustudie mit einem Schwein, das ein armes Würstchen ist.
(DVD, Alleskino)

Ich Chef, Du Turnschuh (1998) Multikultikomödien können peinlich sein. Diese ist es nicht. Der armenische Asylbewerber Dudie, um den es geht, ist kein Gutmensch. Er lügt und trickst und nutzt die Schwächen der Deutschen aus. Das aber ist urkomisch und von Regisseur und Hauptdarsteller Hussi Kutlucan frisch inszeniert.

Ihr könnt euch niemals sicher sein (2008)
So nachdenkens- wie sehenswert, auch wenn das Ende etwas konstruiert ist: Ludwig Trepte als missverstandener (?) Schüler, dessen Verhalten Angst auslöst. Ist er der typische Amokläufer? (DVD)
Im Schatten der Macht (2003)
Matthias Brandt spioniert in der Rolle des Günter Guillaume Willy Brandt aus, im wirklichen Leben sein Vater. Der Stern von Brandt junior ging
mit diesem Film auf. Er ist das Kraftzentrum des spannenden Zweiteilers von Oliver Storz. (DVD)

In aller Stille (2010)
Erst wurde der kleine Max misshandelt, dann ist er weg... Kluges Drama mit Spitzenensemble um Nina Kunzendorf.

In den besten Jahren (2011)
Senta Berger als Witwe eines RAF-Opfers will Gerechtigkeit. Der Film ist die Antwort auf den alten Vorwurf, die Medien interessierten sich nur für Täter, nie für die Opfer - und dreht die Perspektive um. Ein Film des Schmerzes und Mitgefühls.
(YouTube)
Der Laden (1998)
Horizontales Erzählen gab es schon lange vor dem US-Serienboom. Regisseur Jo Baier hat Erwin Strittmatters Roman mit epischem Atem verfilmt, er fächert die Zeit von 1919 bis in frühe Jahre der DDR in prägnanten Szenen und starken Bildern auf. Musterbeispiel eines gelungenen zeit-historischen Dramas.
(DVD, Maxdome, iTunes, Amazon, Google Play)

Der letzte schöne Tag (2011)
An Depressionen leidende Mutter (Julia Koschitz) begeht Selbstmord. Zurück bleiben Vater (Wotan Wilke Möhring), Tochter und Zuschauer. Sie alle lernen und finden Trost.
(DVD)

Der Liebling des Himmels (2015)
Dani Levys Figuren ist eigen, dass sie sich meist mit sich selbst beschäftigen: wie hier Axel Milberg als Psychiater, den sein Intellekt nicht vor dem Chaos schützt. Levy-Filme ("Alles auf Zucker") sind nie perfekt, aber das macht ihren Charme aus. (YouTube)
Die Manns (2001)
Untertitel: Ein Jahrhundertroman. Heinrich Breloer und Horst Königstein versammeln ein großes Darstellerensemble (Armin Mueller-Stahl als Thomas Mann) zur Tafelrunde des deutschen Bürgertums in Gestalt der Familie Mann. Ein Bildungsfernsehen-Dreiteiler, der Doku und Epik vereint.
(DVD, Maxdome)

Marias letzte Reise (2005)
Ist Krebs zum Lachen? Kommt drauf an, wie man über ihn spricht. Rainer Kaufmanns Tragikomödie über eine Sterbenskranke (Monica Bleibtreu) und die sie auf ihrem letzten Wegstück begleitende Krankenschwester (Nina Kunzendorf) trifft den Ton perfekt.
(DVD, Juke)

Die Mauer - Berlin 61 (2006)
Während die Eltern auf Besuch in Westberlin sind und der Sohn zu Hause im Osten weilt, geht die Mauer hoch. Unpathetisches und doch ergreifendes Drama mit Heino Ferch, Inka Friedrich und einem jungen Frederick Lau. (DVD)
Meister des Todes (2015)
Brisanter Fall um deutsche Waffenhändler in Mexiko mit Hanno Koffler, Heiner Lauterbach. Penibel und mit hohem persönlichen Einsatz von Daniel Harrich recherchiert und inszeniert.
(DVD)

Der Minister (2013)
Die Amerikaner haben Trump, okay. Aber Herr zu Guttenberg, der Staatsmann-Darsteller, war seinerzeit auch ziemlich bizarr - wie die Satire von Sat.1 über den Hochstapler zu Donnersberg. Gutes Drehbuch, gutes Timing.
(DVD, Maxdome)

Mogadischu (2008)
Deutscher Herbst 1977: Der entführte Lufthansa-Jet - auf dem Rollfeld in Mogadischu, Somalia, Krisenstäbe im Tower und in Bonn, die in fiebriger Atmosphäre die Stürmung des Flugzeugs beschließen. Roland Suso Richter filmte mit großer Besetzung (Thomas Kretschmann, Nadja Uhl, Christian Berkel).
(DVD)
Mörder auf Amrum (2009)
Klaustrophobische Inselstimmung, suggestive Kraft und Hinnerk Schönemann: Nordseedünen mal gegen den Strich gebürstet.
(DVD)

Neue Vahr Süd (2010)
Hermine Huntgeburth verfilmt Sven Regener mit größtem Gespür für den schrulligen Stoff. Fast besser als der fürs Kino gedrehte Vorgänger "Herr Lehmann".
(DVD, Amazon, Maxdome, Netflix u. a.)

Operation Zucker (2012)
Rumänische Kinder werden versteigert und deutschen Pädophilen zugeführt. Rainer Kaufmanns Drama rüttelt auf, spricht für die, die keine Stimme haben.
(DVD)
Paul is Dead (2000)
Eine Perle des Kleinen Fernsehspiels im ZDF: Das Debüt von Hendrik Handloegten ("Liegen lernen") über einen Schüler und Beatles-Fan im Bann der alten Verschwörungstheorie, dass Paul McCartney tot ist und durch einen Doppelgänger ersetzt wurde.
(YouTube)

Die Polizistin (2000)
Andreas Dresen ("Halbe Treppe") ist Schauspielerregisseur und Realismus-Fanatiker. Das Plattenbaudrama mit Gabriela Maria Schmeide als Polizistin zeigt, wie tiefe Wahrheit aussieht. (DVD)

Sie hat es verdient (2010)
Ein Mädchen (Liv Lisa Fries) soll Auskunft geben, warum sie eine Mitschülerin ermordet hat - und hat schockierend wenig zu sagen. Das Drama um Jugendgewalt geht an die Substanz.
(YouTube)
Die Spiegel-Affäre (2014)
Als Männer noch das Attribut "groß" trugen: das Duell in den 60ern zwischen Verleger Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß (Francis Fulton-Smith in magischer Mimikry).
(DVD)

Todesspiel (1997)
Hans Brenner in der Rolle des von der RAF entführten Hanns Martin Schleyer. Das beste deutsche Dokudrama überhaupt in der Regie von Heinrich Breloer.
(DVD)

Der Tunnel (2001)
Die Mutter aller Mauer-Dramen: Heino Ferch und Sebastian Koch graben sich aus dem Osten, und man betet, sie mögen auch wirklich im Westen ankommen.
(DVD)
Der Turm (2012)
Irrungen und Wirrungen des Dresdner Bildungsbürgertums in den späten Jahren der DDR: Uwe Tellkamp lieferte die Vorlage, und Christian Schwochow machte daraus 180 große Fernsehminuten. Es hätten doppelt so viele sein dürfen.
(DVD, Video­ buster, Juke)

Unsere Mütter, unsere Väter (2013)
Der Dreiteiler über die Erlebnisse und Traumata junger Soldaten im Zweiten Weltkrieg traut sich, deutsche Stahlhelmträger auch als Zweifelnde und Leidende zu zeigen. Eine ehrgeizige Höchstleistung des Ufa-Produzenten Nico Hofmann.
(DVD, Amazon, Maxdome, Netflix, Google Play)

Das unsichtbare Mädchen (2011)
Der Fall "Peggy" in der Interpretation von Dominik Graf: Ist sie gar nicht tot? So unangenehm hat man Ulrich Noethen noch nie gesehen. Ein genial unbehaglicher Film.
(DVD)
Unter Feinden (2013)
Der Hamburger Regisseur Lars Becker mixt harten Copfilm mit Familiendrama. Es geht Schlag auf Schlag. Fritz Karl als sichtlich kaputter Bulle überzeugt. Die Fortsetzung "Zum Sterben zu früh" (2015) ist ebenso gut!
(DVD)

Vorsicht vor Leuten! (2015)
Das "Stromberg"-Team Ralf Husmann (Buch) und Arne Feldhusen (Regie) in Bestform: Ein gelangweilter Sachbearbeiter (Charly Hübner) nimmt sich einen Glamour-Gauner zum Vorbild und macht auch auf dicke Hose. Hammer!
(DVD, Maxdome, Videoload, Xbox u. a.)

Das weiße Kaninchen (2016)
Devid Striesow ist ein Meister darin, zwei Gesichter in einem zu verpacken: hier als guter Lehrer, der seine Schüler vor den (Sex-)Fallen des Internets warnt und selbst ein Täter ist.
Wir sind das Volk (2008)
Wut, Ohnmacht, Verzweiflung: Anja Kling als Dissidentin im Griff der Stasi. Ein melodramatischer Zweiteiler, ganz anders als "Die Mauer" - ein interessanter Vergleich.
(DVD, Maxdome)

Die Wölfe (2009)
Leben im Trümmerland: der Alltag anno 1948, erzählt am Beispiel einer Jungsbande. Historische Aufnahmen als Teil der Inszenierung: super gemacht.
(DVD, iTunes)

Wut (2006)
Kulturkampf wörtlich genommen: der martialisch endende Zoff zwischen einer deutschen Familie und einem Türken. Viel und heftig diskutiert.
(DVD)

Krimi-Deutschland

Nicht auslassen darf man die Krimis: Unsere 15 Lieblingsfilme haben wir "Aus der Reihe" zu den 50 hinzuaddiert. Diese werden wir nächste Woche vorstellen. "So gut kann TV sein", haben wir jedenfalls schon vor geraumer Zeit festgestellt. Das deutsche Fernsehen ist zu großartigen Leistungen in der Lage, doch sein miserabler Ruf wird dem leider in keinster Weise gerecht.