Unglaublich: 1+5 gegen Löw!

Es war wieder so ein Abend, an dem man seinen Augen und Ohren nicht traute. Nach dem unglaublichen 7:1 gegen Brasilien folgte zwei Tage später im ZDF ein unfassbares 1+5 gegen Joachim Löw. In der Sendung "Maybrit Illner" machten eine Talkmasterin und fünf Gäste die Arbeit des Bundestrainers schlecht. Zwei Tage vor dem Endspiel. Tenor: Der sei ja kein richtiger Trainer. Es war ein Alptraum. Ein Angriff aus den Tiefen des Raumes, der wirklich überraschend kam.

Die "Mäkelei" sei womöglich Teil unseres deutschen Nationalcharakters, trug die Gastgeberin zunächst dick auf, bevor sie in die Runde fragte: "Musste man erst 7:1 gegen die Brasilianer gewinnen, damit diese Nörgelei an der deutschen Mannschaft aufhört?" Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Man musste erst so hoch gewinnen, damit im Zweiten die Meckerei beginnt.

"Man dürfe doch nicht alles schönreden", warf Felix Magath ein. Der Fußballtrainer ist in der englischen Premier League gerade mit dem FC Fulham abgestiegen und offenbar noch ziemlich geladen. "Auch wenn wir das WM-Finale 5:0 gewinnen, ist Benedikt Höwedes für mich kein linker Verteidiger!" Schön, dass er das im ZDF einmal klarstellen durfte. Wenn wir "nur gejubelt hätten, wäre unsere Mannschaft schon rausgeflogen", sagte der Trainer. Und er meinte damit: Ohne mich gewinnt hier keiner einen Titel!

Thomas Berthold, Ex-Weltmeister und TV-Experte, sprang seinem alten Mitspieler zur Seite. Nur unter dem Druck der Öffentlichkeit habe der Bundestrainer seine Mannschaft umgestellt und Philipp Lahm zurück auf rechts in die Vierkette beordert, so Berthold.

Man stelle sich vor, die Deutschen wären im Achtelfinale ausgeschieden, Hajo Schumacher! "Dann hätten wir Löw doch an die Wand genagelt", sagte der Journalist, der sich gern selbstkritisch zu seiner Branche äußert. "Jetzt aber heben wir ihn in den Himmel - das ist unsere situative Ethik!"

Es war alles noch harmlos soweit, bis Illner die hinterhältige Frage stellte: "Hat Löw wenn nicht das Rad, dann doch den Fußball neu erfunden?" Die Herausforderung an die Gäste bestand nun darin, Nein zu sagen und zugleich ein dickes Lob auszusprechen. Das misslang allen gründlich.

Hajo Schumacher schränkte als erster das Verdienst des Bundestrainers ein: Löw bekomme doch eine "Mannschaft aus München serviert". Die Nationalmannschaft sei der "FC Bayern plus x". Sollten die Deutschen Weltmeister werden, gehöre der Pokal "zu einem großen Teil an die Säbener Straße", die Geschäftsstelle des Klubs. Meint Schumacher im Ernst, die DFB-Elf könne ohne eigenen Trainer mitsamt seinen Ideen, Vorstellungen und Führungsqualitäten auskommen? Und die Spanier ohne Nationalcoach Vicente del Bosque, weil in dessen Team so viele Spieler des FC Barcelona dabei sind?

Auch Ex-Torwart Toni Schumacher, der zwei Endspiele (1982, 1986) verloren hat, scheint von Löw nicht viel zu halten. Er wies darauf hin, dass "Löw natürlich phantastisches Material zur Verfügung hat - beneidenswert, wenn man das mit uns damals vergleicht". Für den Umbruch im deutschen Fußball seien aber andere verantwortlich: "Matthias Sammer hat das ins Rollen gebracht mit der Jugendarbeit." Eine alte These, längst widerlegt.

Magath hob an: "Löw ist für mich der ideale Bundestrainer." Und er hätte dann besser geschwiegen. Stattdessen vergiftete er sein Lob: "Ihn als Vereinstrainer auszuwählen, hätte ich allerdings Schwierigkeiten..."

Illner spürte, dass hier was rauszuholen ist und hakte nach. "Warum? Jetzt aber raus mit der Sprache. In diesem Raum ist nur Platz für die Wahrheit." Magath, in seiner Selbstgerechtigkeit, tapste in die Falle: Löw habe als Bundestrainer die Aufgabe, aus einem riesigen Reservoir die besten Spieler auszusuchen. Diese erledige er "sensationell gut". Aber: "Die Bundesliga bringt die Spieler in die Nationalmannschaft", nicht der DFB. Dabei tue der Verband "gerade so, als würde er die Spieler machen".

Wieder pflichtete Berthold bei: Wenn man als Bundestrainer ein erfolgreiches Turnier gespielt habe, könne man im Anschluss normalerweise einen großen Verein übernehmen. Aber: "Ich weiß nicht, ob Löw nach zehn Jahren beim DFB Löw noch..." Seltsamerweise brach im Studio darüber lautes Gelächter aus.

Vielleicht unter der zwanghaften Vorstellung, härter sein zu müssen als die Kerle um sie herum, mäkelte jetzt auch Nina Künzer: "Die Rahmenbedingungen für die Spieler sind perfekt", sagte die Ex-Weltmeisterin. Wie sie reisen, wie sie untergekommen sind - "alles erste Sahne". Deshalb gebe es für das Trainerteam bei einem Ausscheiden keine Ausreden. "Wenn man schon im Achtelfinale rausgeflossen wäre, dann holla."

Illner wollte noch wissen, ob Löw aufhören soll. Und wer als Nachfolger in Frage kommt. Und warum wir Deutschen immer so viel meckern müssen. Dann war es vorbei. Aus! Aus! Aus! Wieder rieb man sich die Augen: Sollte diese Sendung eine Einstimmung auf das Finalspiel gewesen sein? Handelte es sich nicht vielmehr um Sabotage? Was sagte Magath noch? "Ich weiß nicht, ob ich das Finale angucke. Für mich ist das Ergebnis klar!" Vielleicht ging es dem ZDF ja darum, der Konkurrenz die Quote zu verderben. Das Finale am Sonntag läuft im Ersten.

Helmut Monkenbusch