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"Avatar": James Cameron im Interview

Bloß keine Experimente

James Cameron´s Avatar
"Avatar"-Regisseur James Cameron und sein Star Sam Worthington ("Terminator 4") bei einer Besprechung während der Dreharbeiten

Mit dem technisch revolutionären Science fiction-Film "Avatar" hat "Titanic"-Kapitän James Cameron nach 12 Jahren endlich wieder einen Film auf die Leinwand gebracht. Warum es so lange gedauert hat, woher er seine Ideen nimmt und weshalb er lieber im Meer plantscht als Filme zu drehen, verrät er im TV SPIELFILM-Interview. (Kinostart: 17.12.)

James Camerons Filmographie ist nicht allzu lang. Umso größer ist der Erfolg, den er mit seinen Filmen erlangt hat. Beinahe jeder seiner Filme wurde zu einem Meisterwerk seines Genres. Nach "Terminator", "Aliens - Die Rückkehr" und "Titanic" soll nun auch "Avatar - Aufbruch nach Pandora" neue Maßstäbe setzen.

"Titanic" wurde zum erfolgreichsten Film der Filmgeschichte. Obwohl Sie zunächst ihre Gage zurückgegeben haben, um den Film fertigzustellen, hat das Studio Ihnen einen netten Bonus gezahlt. Hat der Wohlstand Sie selbstzufriedener gemacht?


JAMES CAMERON Zunächst mal haben Sie mir nur das gezahlt, was mir zustand (lacht). Aber ich bin deshalb nicht selbstzufriedener geworden. Aber es hat mir die Möglichkeit verschafft, andere coole Dinge zu machen, die nichts mit Filmen zu tun hatten. Vor "Titanic" habe ich nur Science Fiction und Actionfilme gemacht. Dann kam dieser Liebesfilm und er spielte mehr Geld ein als alle anderen. Da wusste ich, dass es an der Zeit war, einmal all die Dinge zu tun, die ich wirklich tun wollte.

Ihr letzter Film ist schon eine Weile her. Wann kam die Leidenschaft, Filme zu machen, wieder zurück?

JAMES CAMERON Die Leidenschaft war nie fort. Es gab schlicht andere Dinge, die ich noch machen wollte, solange ich jung war. Unter See zu arbeiten ist sehr schwierig und anstrengend. Aber Meeresforschung ist so erfüllend, wie Hollywood es niemals sein könnte. Wenn du hinausgehst und dich der Herausforderung stellst, gibt es keinen zweiten Take. Dass, was du erlebst, ist so real. Special Effects können das nicht ersetzen. Es war ungemein aufregend. Aber ich wusste, dass ich zurückkommen und Filme machen wollte. Ich habe ein paar Projekte im Stillen entwickelt.

Als da wären?

JAMES CAMERON Wir mussten uns zwischen zwei Filmen entscheiden, "Avatar" und "Battle Angel". Beide Filme liefen absolut parallel: das Skript, das Design, die Infrastruktur der Produktion. Die Entscheidung, welchen Film wir zuerst machten, war völlig willkürlich. Allerdings gab es einen hervorragenden fünf Seiten langen Dialog in "Avatar" und nichts Vergleichbares in "Battle Angel". Deshalb haben wir uns für "Avatar" entschieden.
Woher kam die Idee für "Avatar"? Was hat Sie inspiriert, dieses Universum zu erschaffen?

JAMES CAMERON Als Kind habe ich viele Science-Fiction-Bücher und -Comics gelesen. Ich habe immer nur von diesen Fantasywelten geträumt. Alle meine Ideen dazu haben sich zu einer großen Vision entwickelt, und ich musste einfach eine Geschichte finden, die all diese Vorstellungen in sich vereint.

Welche Eindrücke finden sich in "Avatar" wieder?

JAMES CAMERON Es gab nicht unbedingt spezielle Bilder. Ist das Buch gut geschrieben, entstehen im Kopf eigene Bilder, die einen in eine eigene Welt entführen. Ich habe eine sprühende Phantasie und zeichne auch viel. In der Schule habe ich das Schulbuch immer aufgestellt, damit ich dahinter ungestört zeichnen konnte. Meistens waren es Comicbücher mit Science Fiction-Elementen wie bei "Conan" oder "Spiderman". Raumschiffe fand ich auch toll.

Hat auch "2001: Odyssee im Weltraum" Sie beeinflusst?

JAMES CAMERON Es wäre natürlich leicht zu sagen, dass "2001" mich beeinflusst hat, aber im Film gibt es nichts, was darauf schließen lässt. Ich war in dem Sinne inspiriert, dass ich etwas Erstaunliches sah, was ich nicht erklären konnte. Ich musste herausfinden, wie er diese Special Effects gemacht hat und habe dafür viel gelesen.

Haben Sie es rausgefunden?


JAMES CAMERON Ich habe meine eigenen Modelle gebaut und sie mit meiner Super 9 Kamera gefilmt. Ein Jahr später erkannte ich erst, dass ich ein Filmemacher war. Ich hatte kein Geld und nur die Kamera meines Vaters, aber es war ein großer Sprung vom Zuschauer zum Macher. Also hat "2001" nicht direkt den Film beeinflusst, ich denke eher, dass mich das Leben beeinflusst hat.

Welche Eigenheiten haben Sie sich für den Planeten Pandora ausgedacht?

JAMES CAMERON Pandora ähnelt der Erde sehr. Es gibt Bäume, Laub, Tiere. Die Einheimischen sehen sehr menschlich aus. Sie sind nur größer und ähneln in ihren Bewegungen Tieren. Sie sind blau wegen der besonderen Atmosphäre ihres Planeten. Es gibt zwar Menschen auf dem Planeten, aber sie leben in Minen und wenn sie mit den Einheimischen Kontakt aufnehmen wollen, brauchen sie eine spezielle Beatmungsmaschine oder einen Avatar, einen Körper, dem dein Bewusstsein einverleibt wird. Denn als Mensch kann man auf Pandora nicht atmen.

Warum haben Sie den Planeten Pandora genannt?

JAMES CAMERON In der griechischen Mythologie ist Pandora die erste Frau. Als die Büchse der Pandora geöffnet wurde, entflogen alle Plagen der Menschheit in die Welt hinaus, nur die Hoffnung blieb in der Büchse. Viele mögen nun denken, dass Pandora ein Ort der Dämonen und des Bösen ist, aber als Jake dort landet, erscheint es ihm als Garten Eden. Er macht sich auf den Weg und sieht die Welt durch die Augen der Na'vi. Im Film geht es also zum Teil auch darum, seine Sichtweise zu ändern.
Der Planet Pandora erinnert an eine Unterwasserlandschaft. Haben Ihre Erfahrungen als Unterwasserfilmer Sie beeinflusst?

JAMES CAMERON Jeder, der einmal nachts tauchen war, kennt dieses besondere Meeresleuchten,, wenn die Umwelt auf dich und deine Bewegungen reagiert. Meine Erfahrungen sind sicherlich mit eingeflossen. Wie gesagt, als Kind las ich viel Science-Fiction und wollte irgendwann selbst so etwas Ähnliches erleben. Aber ich wusste, dass der Traum, ein Astronaut zu werden, nie in Erfüllung gehen würde, wo ich doch aus einer so kleinen Stadt wie Chippewa in Kanada mit gerade mal 1000 Einwohnern groß geworden bin. Als ich anfing zu tauchen, war es, als ob ich auf einem anderen Planeten wäre. Tauchen und sich in Fantasywelten hineindenken hatte denselben Effekt. Die Grenze zwischen Imagination und Realität verwischt, wenn man auf einer Unterwasserexpedition ist. Als ob man in einem Spaceshuttle zu einem anderen Planeten fliegt.

Hatten Sie Bedenken, dass das Publikum an "Matrix" erinnert werden könnte?

JAMES CAMERON Der Film ist nicht wie "Matrix" oder irgendein anderer Film, in dem man in einen virtuellen Körper in eine virtuelle Welt gelangt. Dies hier ist eine handfeste, greifbare Welt und du steckst in einem biologischen Körper. Du fühlst, dass du am Leben bist. Es ähnelt der Arbeit mit einer Fernbedienung, mit der man ein Gefährt bei einer Unterwasserexpedition steuert. Ich habe hunderte von Stunden damit verbracht, einen Roboter zu steuern, daher kenne ich das Gefühl, sein Bewusstsein auf dieses Gefährt zu richten.

Wer in der "Matrix" stirbt, stirbt auch im echten Leben.

JAMES CAMERON Ich kann doch nicht alles verraten (lacht). Aber ganz ehrlich, das ist kein wichtiger Punkt. Das hier ist nicht wie "Matrix". Die Idee ist, dass du in dieser Welt, in diesem Avatarkörper und der Welt von Pandora eingebettet bist. Du bist damit verbunden, und wenn du deinen Avatar verlierst, würde es sich wohl anfühlen, als ob etwas fehlt.

Warum sind die Einheimischen auf Pandora eigentlich blau?

JAMES CAMERON Glauben Sie mir, das hat das Studio mich auch schon gefragt (lacht). Sie wollten auch ständig wissen, warum sie Schwänze haben. Die Erklärung ist ganz einfach:Der Schwanz und die Ohren geben Aufschluss über ihre Gefühle. Sie wedeln zwar nicht mit dem Ding am Hinterteil, wenn sie glücklich sind, aber man kann erkennen, wenn sie aggressiv oder demütig sind. Die Animatoren hatten viel Spaß bei der Arbeit, aber erst die Mimik der Schauspieler haucht ihnen wirklich Leben ein.

Welche Moralvorstellung hält Science Fiction bereit im Gegensatz zu anderen Genres?

JAMES CAMERON Science Fiction erlaubt uns, mit Themen zu arbeiten, die in anderen Genres vielleicht nicht immer funktionieren. Science Fiction handelt nicht unbedingt davon, was in der Zukunft passieren könnte, sondern hält unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, ein Spiegel unserer Geschichte und unserer Menschlichkeit. Thematisch gesehen handelt "Avatar" davon, was jeden Tag verloren geht, nicht nur in unserer natürlichen Umgebung, sondern auch, was uns persönlich betrifft. Es wäre leicht zu sagen, dass es um Menschen gegen Na'vis geht, aber Science Fiction ist gemacht von Menschen für Menschen. Die Na'vis repräsentieren uns in gewisser Weise. Wir bewundern sie und wollen so sein wie sie. Wir wollen ebenso weise und spirituell und gewandt sein. Aber wir verlieren unsere Verbindung zur Natur. Wie erklären wir uns das?

Warum hat es so lange gedauert, den Film zu machen, Mr. Cameron? Angeblich planten Sie den Film schon vor "Titanic".

JAMES CAMERON Es war einfach nicht möglich. Die Technik war noch nicht weit genug. Der Film hätte wie ein fehlgeschlagenes Experiment ausgesehen. Das wollte ich der Presse nicht erklären. Ich bin sicher, Bob Zemeckis musste sich dieser Frage bei "Der Polarexpress" stellen. Peter Jackson hat dann mit Gollum in "Der Herr der Ringe" gezeigt, was möglich ist. Aber wir mussten noch einen Schritt weiter gehen. Ich wollte nicht, dass es wie Animation aussieht, sondern wie Schauspielerei. Wir haben in HD gefilmt, so konnten wir die Gesichtszüge haargenau erkennen. Was Sam Worthington oder Zoe Saldana geleistet haben, sieht man ganz deutlich in ihren Charakteren. Hier waren tatsächlich Schauspieler am Werk.

Scott Orlin